Heute setze ich mir mal selbst ein Ziel und versuche einen nicht so langen Artikel zu schreiben.Mal sehen ob es mir gelingt.
Im letzten Blogbeitrag ging es ja um die Frage, ob Spiritualität und Ideen von ganzheitlicher Heilung dazu beitragen, dass sich Menschen gegen lebensrettende und wirksame Behandlungen entscheiden, und sich damit selbst gefährden.
Ich habe dann nochmal nachgedacht, was ich so darüber geschrieben habe und musste über meine Geschichte und was ich alles (nicht) zur Verfügung hatte denken. Gerade bin ich auch dabei mein Buch zu schreiben und diese Woche habe ich viel aufgeschrieben, wie und was alles so rund um die Diagnose passiert ist.
Ich war in einer Situation, in der ich überhaupt keine Zeit hatte irgendetwas zu recherchieren, oder nachzudenken, wie ich denn meine Krebsbehandlung gestalten will. Ich wurde an einem Tag in schlechtem Allgemeinzustand im Krankenhaus aufgenommen, und am nächsten Morgen operiert. Alles war schon im Notfall-modus und ich kurz vor dem Sterben.
Viele Krebspatient_innen haben ja, Gott sei Dank, nicht erst kurz vor dem Abkratzen die Diagnose und somit mehr Möglichkeiten, Zeit und Handlungsspielraum, sich zu informieren.
Ganzheitliche Krebsmedizin gibt es – die biologische Krebsabwehr
Ich bin etwa vor zwei ein halb Jahren, als ich nach Berlin gezogen bin, durch einen Freund, der auch Hodentumor überlebt hat, auf die biologische Krebsabwehr, einem unabhängigen, Spenden finanzierten Verein aufmerksam gemacht worden, der sich der ganzheitlichen Krebstherapie und Begleitung von Menschen annimmt.
Ich finde den Zugang und die Informationen dort wirklich sehr gut. Die Seite ist jetzt vom Layout nicht an meiner „Millenial“ Generation ausgerichtet (anders ausgedrückt, wirkt sie von der Optik und Aufmachung etwas altbacken), aber ich finde die Informationen dort echt super.
Ich habe im Scherz zu einem Freund gesagt, dass ich wahrscheinlich nie meinen Blog zu schreiben begonnen hätte, wenn ich die Seite schon gefunden hätte, da ich bei jedem meiner Themen und Artikel einfach schreiben hätte können: Seht euch einfach den Artikel dazu auf der Seite der biologischen Krebsabwehr an. Fertig.
Ich habe ja schon vor Jahren auch einen Artikel geschrieben über das Buch „Life over cancer“ und einem ganzheitlichen onkologischen Ansatz aus den USA. Das war das erste Mal, dass ich davon hörte, dass er Krankenhäuser und Onkolog_innen gibt, die ganzheitliche Verfahren anwenden und ihre Patient_innen ermuntern zu meditieren, Pflanzen basiert zu essen, zu psychologischer Beratung zu gehen, Tagebuch zu schreiben usw.
All diese Dinge sehe ich auch heute noch, meistens bei engagierten Patientenvertretungen, Blogs oder Krebshilfen, aber nicht als integrativer Bestandteil von Krebstherapien, und definitov nicht immer von Schulmedizin wertgeschätzt und anerkannt. Das war ja auch Etwas, das der Anrufer, über den ich letzten schrieb, so beklagt hatte. Er fühlte sich so alleine gelassen mit Fragen rund um psychische, spirituelle Aspekte der Diagnose Krebs, sodass er sich unwohl, nicht ernst genommen und abgewiesen fühlte.
Ich hätte mir selber eben auch so sehr ein Behandlungsteam gewünscht, die solche Aspekte nicht als „Privatvergnügen“ ansehen, sondern in der (lebensrettenden) Behandlung mit Chemotherapie integrieren. Ich wurde belächelt, wenn ich Bücher zu ganzheitlicher Heilung las, angeschrien, als ich mich bezüglich Fasten vor Chemotherapie erkundigte und mir wurde unter anderem „geraten“ Cola und Chips in mich hineinzustopfen, gemeinsam mit kuhmilch-basierten Energiedrinks von Nestlé, damit ich ja nicht Gewicht verliere. Mir wurde gesagt, dass es absolut egal ist, was ich esse, und das die keinen Einfluss auf die Behandlung hätte.
Das andere Ende des Spektrums waren eben Menschen und dubiose Webseiten, die Schulmedizin verteufelten, und selbsternannte Heiler_innen, die ihre „alternative“ Behandlung als Wunder anpriesen oder hysterisch auf Youtube erzählen, dass jeder Krebs mit grünen Smoothies und veganer Ernährung geheilt werden kann, und die ganze Chemo- Pharmaindustrie in verschwörerischer Weise uns am Gifthahn hält, um maximale Gewinne einzufahren usw.
Die biologische Krebsabwehr hat auch viele Videos auf youtube, unter anderem dieses Video, indem ein Arzt finde ich recht klar darstellt,worum es bei ganzheitlicher Krebsmedizin geht, nämlich darum, Schul- und Komplementärmedizin zusammen und auf den individuellen Patienten abgestimmt anzuwenden.
Was ist Selbstheilung und Souveränität?
Worum es hier aber eigentlich als zentralen Punkt gehen soll, ist die Frage, nach der Souveränität, Selbstbestimmung und Autonomie als Patient_innen.
Dazu habe ich schon seit längerer Zeit die Arbeit einer total coolen Person im Kopf, die ich auch einfach total menschlich und sympathisch finde, nämlich Annelie Keil.
Diese wurde 1939 geboren und verbrachte die ersten sechs Lebensjahre in einem Waisenhaus, hatte also eine traumatische Kindheit. Sie ist Soziologin und Gesundheitswissenschaftlerin, überlebte einen Herzinfarkt und mehrere Krebserkrankungen, lehrte als Professorin und schrieb mehrere Bücher, rund um das Thema Gesundheit. Ich finde sie so eine spannende Person und möchte unbedingt auch eines ihrer Bücher lesen.
Worüber ich hier jedoch berichten möchte ist ein Video, dass ich auf der Seite der biologischen Krebsabwehr gefunden habe. Darüber geht es um den „souveränen Patient“, also um die Frage, wie Menschen mit Krankheiten eben souverän umgehen können.
Ich finde Annelie Keil bringt Dinge so klar auf den Punkt und oft auf ironische und einfache Art. Sie erzählt, dass sie Gesundheit und Krankheit als Prozess und Kontinuum auffasst und es immer auch gesunde Anteile in uns gibt, sonst wären wir ja schon tot.
Sie sagt auch, dass auch Schulmedizin diese Ansicht teilt, da ja auch Schulmediziner_innen keine Operation machen würden, oder keine Medikamente vergeben würden, wenn es nicht irgendeinen gesunden Anteil oder Körper gäbe, indem diese Therapien dann anschlagen und wirken können.
In diesem Video sagt sie etwas bezogen auf Selbstheilung,was ich total spannend finde im Hinblick auf dieses vermeintlich „spirituelle“ Entweder-Schulmedizin-oder-ganzheitliche-Heilung-Denken. Sie sagt:
Selbstheilung heißt nicht, es läuft von selbst, sondern, dass wir durch die Medizin, durch Psychotherapie, durch was auch immer, versuchen die Fähigkeit, immer wieder selbst in die Balance zu kommen, unterstützen.
Annelie Keil
Sie spricht auch darüber, dass Souveränität im Krankheitsfall bedeutet zu erkennen, dass mensch jetzt Hilfe braucht und alleine nicht klar kommt:
„Eine körperliche Erkrankung braucht um damit souverän umzugehen, […] eine Seele die mitmacht, es braucht ein Gehirn das mitdenkt. Ratschläge annimmt, oder ablehnt. Das heißt, wenn jemand erkennt, alleine komme ich damit nicht klar, bin ich nur dann souverän, wenn ich ein Stück meiner Souveränität aufgebe und mir helfen lasse.“
Annelie Keil
Mir gefällt dieser Punkt. Für mich hat es sich nämlich genauso angefühlt. Ich hatte nicht dass Gefühl, dass ich Chemotherapie machen „muss“, sondern, habe aufgrund der wissenschaftlichen Evidenz erkannt, dass diese bei meiner Erkrankung sehr gut wirkt. Genauso mit der Operation. Ich hatte deswegen immer das Gefühl, dass ich entscheide und mich auch dafür entscheide die schulmedizinischen und evidenzbasierten Methoden anzuwenden, die mir (dankenwerter) Weise zur Verfügung stehen.
Was sie hier anspricht, habe ich auch schon mal in einem Artikel zum Thema Verantwortung und Macht für die eigene Gesundheit übernehmen behandelt. Es geht darum, in die Kraft zu kommen, und zu sehen, dass ich immer auch einen Einfluss auf meine Situation habe. Das Leben ist so wie es ist, und dazu gehört auch Krankheit und Tod. Auch wenn es äußerlich nicht so läuft, wie ich mir das wünsche, dann gibt es immer die Möglichkeit innerlich, Einfluss zu nehmen, wie ich von Moment zu Moment mit einer Situation umgehe.
Gerade die Krebserkrankung hat mich gelehrt wertschätzen, dankbar und glücklich im Moment zu leben. Und ganz ehrlich: Gerade jetzt denke ich, dass ich während meiner Erkrankung und Chemo manchmal durchaus glücklicher war als jetzt, wo ich versuche wieder in dieser Welt und alle dem Unrecht, der Gewalt, dem Egoismus und Elend, das Menschen hier veranstalten, zurecht zu kommen.
In dem Video spricht Annelie Keil auch noch ein paar andere Fragen an, z.B. was sie zu „Gründen“ für Krankheiten denkt, zu sozialen Faktoren von Heilung und der Spezialisierung und Fragmentierung in der Wissenschaft und systemischen Denkansätzen.
Kurzum: Ich kann allen Krebspatient_innen und -überlebenden die Seite der biologischen Krebsabwehr sehr empfehlen. Dort kann mensch auch eine ärztliche Sprechstunde in Anspruch nehmen, was ich mal getan habe und ich in einem anderen Artikel zur Frage der Notwendigkeit einer vertrauensbasierten Beziehung zwischen Ärzt_innen und Patient_innen und Bedeutung einer ressourcen-orientierten Kommunikation.