Aufgrund von mehreren Nachfragen habe ich mich entschlossen, heute mal etwas zu meinen Tattoos zu schreiben.
Ich arbeite gerade sehr viel an meinem Blog. Nicht nur inhaltlich, sondern auch hinter den Kulissen. Vielleicht ist dir auch schon aufgefallen, dass ich eine neu gestaltete Wollkommens-Seite habe, wenn du eine_r meiner treuen „Follower“ bist!
Ich genieße es gerade, mir die Freiheit zu nehmen, über ganz verschiedene Themen zu schreiben, und deswegen geht es hier mal um das Thema „Krebs-Tattoos“, das ja für nicht wenige Krebs-Überlebende interessant ist.
Mein Weg zu meinem Tattoo
Beim Schreiben überlege ich gerade, wie und wann ich mit dem Thema Tattoo in meinem Leben in Berührung gekommen bin. Ich bin ja Ende der 80er Jahre geboren und somit ein Kind der 90er und 00er Jahre. Ich weiß auf jeden Fall, dass in meiner Pubertät und in meiner Schule und Freundesclique Tattoos vor allem durch das berühmte „Arschgeweih“, also ein Tattoo an unteren Rücken, zum Thema wurde.
Ich erinnere mich, dass ich in meiner Jugend mit Tattoos immer irgendwie Coolness, Männlichkeit und ein gewisses hartes „Image“ verband. Dies widerspiegelt wahrscheinlich den damals gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskurs darum. In meiner Familie gab es keine Menschen mit Tattoos und somit waren diese für mich immer etwas Fremdes. Etwas, das weit weg von meinem Leben war.
In den letzten beiden Jahrzehnten kam es meinem Empfinden nach, zu einem gesellschaftlichen Wandel und besonders in Städten wie Berlin, kommt es mir so vor, als ob alle Menschen Tattoos haben und das vollkommene Normalität ist.
Der Wunsch nach einem Tattoo, ist erst nach dem Jahr meiner Krebsbehandlung so richtig entstanden. Ich bin darauf aufmerksam geworden, dass sich beispielsweise Brustkrebs-überlebende gegen eine aufbauende Brust-OP entscheiden und sich stattdessen die Brust tätowieren lassen und es hier eigene Foren, Diskurse und empfohlene Tattoo-künstler_innen dazu gab.
Oftmals wird vor Tattoos gewarnt, da diese gesundheitsschädlich und die Farben potentiell krebserregend sein könnten. Ich habe ja die konkrete Erfahrung gemacht, dass ich vermeintlich „alles richtig“ gemacht habe und trotzdem fast mit 27 an Krebs gestorben wäre. Ich habe nicht geraucht, wenig Alkohol getrunken, mich vermeintlich „gesund“ ernährt (aber dabei mehr Stress ausgelöst, als Vorteile gehabt, wozu ich hier schreibe), Sport gemacht usw. Meine Krebserkrankung hat mir gezeigt, dass Gesundheit und Krankheit nie 100 prozentige Zustände sind und im Körper immer ganz viele Faktoren zusammenwirken, mit verschiedenen gesunden und nicht so gesunden Anteilen.
Etwas das ich aus meiner Krebsgeschichte gelernt habe ist, dass Angst mich in meinem Leben sehr geschwächt hat. Ängste haben prinzipiell schon ihren Platz und dienen ja dazu, uns zu schützen und ist ein Überlebensinstinkt. Beim Thema Tattoo habe ich tatsächlich mal keine Angst vor meiner Gesundheit gehabt.
Tatsächlich finde ich, dass mein Tattoo sehr gesundheitsfördernd ist. Jeden Tag, wenn ich mich dusche oder im Badspiegel ansehe, freue ich mich darüber! Ich fühle mich auch sexy und selbstbewusster und ich finde, es strahlt so viel Lebensfreude aus. Für mich steht außer Frage, dass Lebensfreude und Glücksgefühle absolut essentiell für Gesundheit sind. Mit dem Tattoo habe ich mir selber ein Geschenk gemacht, mich immer und immer wieder daran zu erinnern!
Wie ist „mein“ Tattoo entstanden?
Ich habe lange nach passenden Tättoowierer_innen gesucht, bin dann aber eigentlich durch „Zufall“ oder Fügung, auf die für mich passende Person gestoßen. In meiner damaligen Arbeit gab es eine neue Kollegin, deren Tattoos mir sehr gefallen haben, und so bin ich auf die Tattoo-künstlerin Julia Töbel gestoßen.
Es war total spannend so einen ersten Kennen-Lern-Termin auszumachen. Ich wusste überhaupt nicht, welches Motiv ich mir stechen lassen wollte. Ich wusste nur, dass ich diese lange Operationsnarbe vertikal vom Schambein bis fast zum Brustbein habe. Ich hatte die Idee, mit dem Tattoo diese Narbe zu „verlängern“ und daraus Verschiedenes wachsen und entstehen zu lassen. Meine Erfahrung von Krebs war ja in der Quintessenz, dass etwas sogenannt „Negatives“, Krankheit, Tod, Ängste, Schmerzen und Leid genau das Tor zu ganz viel „Positivem“, spirituelle Erkenntnisse, Wertschätzung und Dankbarkeit, Lebensfreude sein kann. Eben diese Transformation, wollte ich auch auf meinem Körper abbilden.
Julia hat mir dann ihre Herangehensweise erklärt, die sehr stimmig für mich war. Sie meinte, dass logischerweise alle Menschen mit ihrem Tattoo etwas ausdrücken wollen. Jedoch hat sie die Erfahrung gemacht, dass die Bedeutung, die wir dem Tattoo geben, sowieso in uns drinnen ist.
Julia meinte, dass es oft hilfreicher ist, einfach nach allgemeinen Motiven zu suchen, die einem selbst gefallen. Unsere Lebensthemen und Bedeutungen verändern sich ja mit den Jahren. Je spezifischer ein Tattoo und je aufgeladener die Symbolik, die ein Motiv genau ausdrücken soll, desto eher die Gefahr, dass es bald nicht mehr passt.
So habe ich als Hausaufgabe bekommen, alle möglichen Bilder, Strukturen, Muster, Farben, Formen, alles was mich irgendwie und irgendwo anspricht auf einem Pinterest Account zu sammeln.
Mein Tattoo ist im Laufe von 7 Monaten bei drei Terminen entstanden. Der erste Termin dauerte acht Stunden und die beiden weiteren jeweils vier. Ich bin wie gesagt, ohne konkreten Plan, aber mit vielen dutzenden Bildern, Schokolade und Kuchen also zu meinem ersten Termin gekommen.
Wir haben bei den Terminen dann immer ganz viele Bilder ausgeschnitten und auf meine Brust und Schulter und Arm aufgeklebt, um einen Eindruck von der Wirkung zu bekommen. Was wohin kommt und wie die Bilder verbunden werden, ist wirklich erst im Tun entstanden. Und da kommt auch die Kunst und die Fertigkeiten einer richtigen Tattoo-künstlerin ins Spiel. Julia meinte es braucht einen guten Mix und Balance zwischen schon vorhandenen Elementen und neuen Impulse und Themen, damit es nicht chaotisch wirkt.
Irgendwie kamen wir dann zudem Schluss, dass der Start ein Dreieck mit einem Ausschnitt eines Photos eines Gummibaums sein wird. Julia hat ganz viele Ideen eingebracht, zum Beispiel, dass der Gummibaum an manchen Stellen vom Dreieck begrenzt wird, dann aber auch darüber hinauswächst.
Die schwarze Linie, die quer über meine Brust geht, wird im Dreieck durchsichtig, zerschneidet dabei aber wiederum ein Blatt des Gummibaumes usw. Es gibt neben der dicken harten schwarzen Linie, auch feinere rosa Linien. Ein großer Baum, der nach oben hin immer feiner wird. Ein weiteres Dreieck mit Blumen im Stil eines abstrakten Still-Lebens vor einer schwarzen Geometrischen Form. Eine Form eines meditierenden Menschen, ausgeschnitten aus den Strukturen eines Blatts. Alles ist mit feinen rosanen Linien verbunden.
Es gibt also viele Details die mit Farben, Formen, harten und weichen Elementen spielen und diese Strukturen immer wieder durchbrechen. Dies widerspiegelt auch mein Gefühl zur Krebserkrankung wieder. Harte Seiten, Nadeln die in mich hineingestochen werden, Operationen und Chemotherapie. Und in diesen harten Erfahrungen, gibt es so viele Gefühle von „mich hingeben“, Widerstand aufgeben und dem Leben Vertrauen.
Ich bin so glücklich mit meiner Entscheidung mich tätowieren zu lassen. Es ist eine super Möglichkeit mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Zu Zeiten, als wir noch frei waren und keine physische Distanzierung notwendig war, sprachen mich immer wieder Leute beim Schwimmen, auf der Straße oder im Club, darauf an. Ein paar Mal sind dann auch schon längere Gespräche über Krebs, Gesundheit und was im Leben wichtig sind entstanden, die sonst so nicht entstanden wären. Das finde ich schon richtig cool!
Ich verlinke hier Julia’s Homepage, für diejenigen von Euch auf der Suche nach einem Tattoo-artist für nach Corona sind. Das ist keine Werbung by the way, sondern einfach ein Zeichen der Wertschätzung und Dankbarkeit!
Das war es für heute. Bleibt gesund und bunt!
Lukas