„Darling, I am here for you.
I know you are there, and I am very happy.
Darling, I know you suffer.
Darling, I suffer. Please help“
The four Mantras of True Presence – Plum village Tradition
Eigentlich wollte ich diese Woche mit der Arbeit an einer Artikelserie über Ernährung und Krebs startet. Und dann hat die ganze Corona Thematik auch mich emotional erfasst. Wie viele Menschen, habe ich mich viel mit mir und meinen Gefühlen und Haltungen dazu auseinander gesetzt. Es hat mich auch daran erinnert, dass ich schon einmal in der Situation war, mir überlegen zu müssen, ob und wohin ich hinausgehen soll.
Da ich ja bloggerische Freiheit habe, und mir vorgenommen habe, ab jetzt jede Woche einen neuen Artikel zu posten, teile ich heute einige Gedanken aus meiner Sicht eines Krebs-überlebenden:
Bin ich normal oder in der Risikogruppe? Die Krebserfahrung lässt einen nicht los
Seit einer Woche circa werden die U-Bahnen in Berlin immer leerer. Bei einem Spaziergang vor ein paar Tagen im Görlitzer Park und Kreuzberg habe ich ein paar Ubahnen auf der Hochtrasse beobachtet und darin fast niemanden mehr gesehen. Auch in den Straßen wird es immer ruhiger und ich blieb die letzten Tage mehr und mehr zuhause. In Österreich wurde schon am Sonntag eine Ausgangssperre verhängt, und Deutschland zieht mehr und mehr nach. Für die nächsten Wochen heißt es also zuhause bleiben.
Vor ein paar Tagen habe ich noch bei meiner Hausärztin Blut abgegeben für meine halbjährliche Krebsnachsorge. Dort habe ich sie auch gefragt, ob ich eigentlich jetzt zu einer Risikogruppe gehöre, oder nicht. Vom Alter bin ich mit meinen 31 Jahren ja mal raus, jedoch hatte ich ein Jahr Chemotherapie, lange Zeit ein schlechtes Immunsystem und meine weißen Blutkörperchen sind zwar im Normbereich, aber eher am unteren Rand. Meine Ärztin meinte, ich zähle nicht unbedingt zur Zielgruppe, aber genau wissen kann sie es nicht, da es ja nur eine handvoll Menschen gibt, die meine Erkrankung in dem hohen Stadium hatten. Trotz ihrer beruhigenden Worte, bin ich nicht ganz entspannt.
Eine Bekannte aus Wien schreibt an einen tollen Blog zu ihren Erfahrungen mit Brustkrebs www.behutsam.at. Darin schreibt sie, dass Krebs Einen nicht loslässt, auch Jahre nach der Behandlung, kann die Erinnerung durch Reaktionen von Mitmenschen, oder eine Situation wie jetzt, immer wieder hervorgerufen werden. Das spricht mir aus der Seele.
Abgesehen von der medizinischen Realität, wie es um mein Immunsystem steht, kommt einfach meine psychische Ebene dazu, und auch diese Traumaerfahrung mit dem Krebs. Auch wenn ich wahrscheinlich recht gut mit meiner Erkrankung umgehen konnte, habe ich dadurch jedenfalls ein Trauma davongetragen, welches mich weiterhin beeinflusst. Ich arbeite sehr viel daran, mich mit mir und meinem Körper weiter und tiefer zu befreunden, und trotzdem kommt da immer wieder Angst und Zweifel. Ist mein Immunsystem jetzt gut genug? Was wenn ich wieder krank werde und medizinische Behandlung bräuchte, in einer Zeit, in der es keine Kapazitäten mehr gibt?
Ich habe mich jedenfalls auch daran erinnert, dass ich in den 12 Monaten während denen ich in Chemotherapie war, schon einmal quasi in Quarantäne war. Kein U-bahn Fahren, keine Kino-besuche, den Besuch bitten, nicht zu kommen, wenn die Person erkältet ist, oder sich nicht richtig wohl fühlt. Ich war während meiner Hochdosis-Chemotherapie drei Mal 21 Tage in einem Isolierzimmer in einem Krankenhaus, und durfte das Zimmer den Großteil der Behandlungsdauer gar nicht verlassen. Insofern habe ich durchaus Erfahrung mit dem, was jetzt als „social distancing“ bezeichnet wird. (Das Wort wirkt für viele feinfühlige Menschen und auch mich jedoch sehr negativ. Es geht ja eigentlich genau um das Gegenteil, nämlich um Solidarität und gegenseitige Unterstützung, nur möglichst ohne physische Nähe. Vielleicht kennt ihr schon eine bessere Alternative?) Jedenfalls hatte ich damals oft das Gefühl, wie in einer Parallelwelt zu leben und das gesellschaftliche Leben, wie durch eine Blase zu betrachteten. Ich versuche zuhause an meinem Blog und an meiner Selbstständigkeit zu arbeiten, so gut es geht. Ich glaube ich habe durch meine Erfahrung und dadurch dass ich sowieso Hochsensibel bin und generell meine Ruhezeiten und Allein-sein brauche, es leichter habe, meinen Tag zu gestalten. Ich höre, dass diese Situation für viele Menschen gar nicht so einfach ist und viele Körperarbeiter_innen, Therapeut_innen und heilende Berufsgruppen auch an online Angeboten arbeiten, um die gefühlte Isolation zu unterbrechen. Das finde ich toll!
Chancen und Risiken der Corona Krise – auch eine Frage von Privilegien
In den letzten beiden Tagen habe ich viele spannende Artikel gelesen, die verschiedene Aspekte zum Thema aufgreifen. Auf einer gesellschaftlichen Makro und spirituellen Ebene ist die Krise sicher eine Chance für neues Bewusstsein und Verhaltensänderung. Es wird sich zeigen, bei wie vielen Menschen es hier zu einer Bewusstseinsveränderung kommt.
Für viele Menschen ist das Bewusstsein, dass es nicht nur um einen selbst geht, sondern dass das eigene Verhalten ein direkte Auswirkung auf den Schutz und die Gesundheit verletzlicher Gruppen hat, neu. Ich finde diesen Artikel in der Zeit spannend, indem sich verschiedene Menschen, die nicht über 65 sind, aber zu Risikogruppen gehören, lautstark für solidarisches Handeln einsetzen. Sie mahnen ein, dass die Risikogruppen vielfältig sind und wir alle durch unser Verhalten, ihre Chance zu überleben erhöhen können.
Thomas Schmidinger, ein österreichischer Politikwissenschaftler hat z.B. auf seinem Facebook Profil darauf aufmerksam gemacht, dass Quarantäne oder zuhause bleiben für eine fünfköpfige Familie die auf 60m² ohne Garten oder Hof im Haus etwas anderes bedeutet, als für eine Mittelschichtfamilie im Einfamilienhaus mit Garten. Genauso ist es eine Frage, wie es obdachlosen und/oder drogenkranken Menschen geht, die oft in beengten Unterkünften oder eben auf der Straße leben und nur schwer Zugang zu Hygiene haben. Ich habe jahrelamng im Bereich Gewaltprävention gearbeitet und mich mit verschiedenen Gewaltformen auseinandergesetzt. Deswegen ist es mir klar, dass häusliche Gewalt in den nächsten Wochen zunehmen wird. Für Kinder,die zuhause Gewalt erfahren, ist die Schule oftmals der einzig stabile Ort. Wenn dieser wegbricht, ist das Familiensystem noch belasteter und es gibt mehr Gewalt. Ganz zu schweigen von geflüchteten Menschen,die in Sammelunterkünften hier oder auf den griechischen Inseln und überall sehr beengt leben müssen.
Auch ich sehe in dieser Krise auch Chancen, wozu ich gleich schreibe. Jedoch ist die Krux an der Sache, dass in unserer kapitalistischen und ungleichen Gesellschaftsordnung, Menschen mit mehr Privilegien, es leichter haben, diese Krise als Chance zu nutzen. Trotzdem gibt es einiges, was mich bewegt und auch hoffnungsvoll stimmen lässt:
Über Viren und Verbundenheit
Gestern bin ich auf diesen Tedx Talk der Gesundheitsexpertin Alanna Shaikh gestoßen, die auf globale Zusammenhänge und Epidemien hinweist. Sie z.B. bringt das wärmere Klima und die Verringerung von Wäldern und Landschaften, als Rückzugsgebiet wilder Tiere mit einer verstärkten Ausbreitung von viralen Erregern in Zusammengang. Sie plädiert dafür, dass die beste Möglichkeit globale Epidemien zu verhindern darin besteht, soziale Ungleichheit abzubauen. Sie verweist z.B.auf die Idee, was passiert wäre, wenn Covid-19 im Tschad ausgebrochen wäre. Dort gibt es für 100.000 Menschen 3,5 Ärzt_innen. Es ist klar, dass effektive Maßnahmen für solche Krisen, ein grundlegend funktionierendes Gesundheitssystem und Ressourcen braucht, dass in vielen Ländern der Welt so gar nicht gegeben ist. Ziel muss es also sein, unser System dahingehend zu verändern, dass alle Länder die Ressourcen haben medizinische Versorgung zu gewährleisten.
Ich finde diesen Vortrag und das Corona Virus spannend, da es uns klar vor Augen führt, dass wir alle mit unseren Mitmenschen und mit der Natur verbunden sind. Wir sind nicht außerhalb von der Natur und in unserem globalisierten System, können wir auch nicht mehr zu Ideen von Nationen und Abschottung zurückkehren.
In einem Radio-interview hat der österreichische Gesundheitsminister Rudi Anschober geäußert, dass er hofft, dass die Erfahrung, dass radikale Maßnahmen möglich sind und die Wirtschaft nicht immer an erster Stelle stehen muss, auch dazu dienen können, das Bewusstsein für die Klimakrise zu verändern. Tatsächlich gibt es ja auch einige Berichte, dass sich die Luftverschmutzung in vielen chinesischen Regionen seit Januar gebessert hat oder dass das Wasser in den Kanälen Venedigs schon lange Zeit nicht mehr so klar war, oder Delphine gesichtet wurden, wo diese seit Jahrzehnten nicht mehr zu sehen waren. Es zeigt sich also, dass sich die Natur sehr schnell erholen kann, wenn wir Menschen mal aufhören, sie permanent zu vermüllen. Und die Klimakrise ist ja weitaus bedrohlicher als Corona und potenziell genauso tödlich für viele Menschen, wie das Covid-19 Virus.
Manche Menschen spekulieren sogar darüber, ob Donald Trump aufgrund des schlechten Corona-Krisen-Managements vielleicht doch nicht wiedergewählt werde könnte. Das gäbe mir Hoffnung. Insofern hoffe ich sehr, dass diese Krise dazu beiträgt, dem politischen Rechtsruck und das System globaler Ausbeutung und Unterdrückung (auch neoliberaler Kapitalismus genannt), etwas entgegenzusetzen. Hoffentlich können die (reichen, westlichen) Gesellschaften, die Erfahrung machen, dass eine Veränderung unseres Lebensstils möglich ist.
Meditation und Selbstfürsorge – Jetzt
Wie manche von Euch von anderen Artikeln dieses Blogs ( hier oder hier) zum Thema Meditation ja schon wissen, fühle ich mich dem Zen Meister Thich Nhat Hanh und den Menschen aus dieser Tradition („plum village“) verbunden. Thich Nhat Hanh sagt, dass wir am Leben sind, um uns aus unserer Illusion des Abgetrennt-Seins oder Nicht-verbunden-Seins mit dem Leben, dem Kosmos zu befreien. Insofern finde ich diese Zeit, in der diese Verbundenheit gerade durch eine bedrohliche Realität aufgezeigt wird, als eine passende Möglichkeit sich mit Meditation, Nicht-dualität und positiver Verbundenheit zu beschäftigen.
Ein essentieller Teil von dieser buddhistischen Sicht auf Verbundenheit ist, sich den wechselseitigen Bedingungen und Abhängigkeiten gewahr zu werden. Dies ist für mich immer auch mit Wertschätzung und Dankbarkeit verknüpft. Zum Beispiel wird gerade deutlich, wie viele Menschen sehr wichtig und relevante Tätigkeiten machen, die oft nicht so wertgeschätzt werden. Durch das Hamster-Kaufen waren auf einmal die Regale von Supermärkten leer, weil es viel Arbeit bedarf, die Waren von Lagern anzutransportieren und einzuschlichten usw. Ich habe heute darüber meditiert, wie ich von ganz vielen Menschen und deren Arbeit abhängig bin und merke, dass es sehr positiv und heilsam ist, mir in Erinnerung zu rufen, dass es alles andere als selbstverständlich ist. Vielleicht gibt es jetzt auch mehr Wertschätzung gegenüber manchen Berufsgruppen, die so wichtige Funktionen in unserer Gesellschaft erfüllen.
Genauson zeigt sich gerade, dass helfende/ therapeutische Berufe, Körperarbeiter_innen und generell Menschen, die die Fähigkeit haben, andere Menschen zu stärken, in ihre Kraft zu bringen oder Selbstheilungskräfte zu stärken, momentan auch sehr gefragt sind. Viele Menschen, die in einem heilenden Beruf arbeiten, teilen gerade sehr viel Zeit, Wissen und Angebote online und auf den sozialen Medien, um Zugänge für Selbstfürsorge und Verbundenheit zu schaffen. Zwei Menschen,von denen ich sehr viel online lerne sind Sara Ablinger und Lian Brugger, die auch großartige bodyworker / Körperarbeiter_inenn in Wien sind, und deswegen möchte ich sie hier auch erwähnen.
Jedenfalls ist es für mich eine Herausforderung momentan, mit der Medien- und Informationsflut umzugehen und meine Präsenz und Energie beizubehalten. Ich merke, dass ich am Abend, nach einem Tag an Beschallung durch Nachrichten, total platt und energielos bin. Deswegen versuche ich meinen Medienkonsum besser zu regulieren und neben meiner Morgenpraxis auch am Nachmittag und Abend mehr zu meditieren.
Hier auf dem Link sind ein paar sehr einfache geführte Meditationen auf Deutsch. Für englischsprechende Menschen gibt es auch viele Ressourcen aus der Tradition Thich Nhat Hanhs hier, sowie wird hier vom 25.-29.3 ein online Summit, stattfinden. Da werden buddhistische Nonnen und Mönche, aber auch andere Menschen Ressourcen, Meditationen und Vorträge teilen.
Auch auf Englisch, finde ich die Arbeit der Psychologin und Meditationslehrerin Tara Brach sehr toll. (z.B. hier). Ich finde ihre Arbeit, Vorträge und geleiteten Meditationen sehr beruhigend und stärkend und habe über sie auch schon Mal in diesem Beitrag erwähnt. Es teilen aber gerade ganz viele Menschen Ressourcen oder bieten Unterstützung an. Das finde ich großartig, vielen Dank an Alle! Ich versuche auch einen Beitrag zu leisten wo ich kann.
In diesem Sinne. Bleiben wir zuhause, Hände waschen und unterstützen wir uns gegenseitig, damit wir alle so gut es geht durch diese Krise kommen.Alles Gute für Jede_n von Euch!
Links
Meditationen der Inter*sein Gemeinschaft in der Tradition Thich Nhat Hanhs
Tara Brach – guided meditation in English
Artikel in „die Zeit“ „Hi, wir sind’s. Die Risikogruppe“
Tedx Talk „Corona Virus is our future“ Alanna Shaikh
Thich Nhat Hanh Foundation “ I am here for you“ Practice resources in a time of uncertainty