Endlich gibt es wieder eine neuen Blogbeitrag. Nach einer ungeplant langen Pause seit dem 26.März möchte ich jetzt versuchen wieder regelmäßiger Posten. Das ist wieder ein Beitrag in der Rubrik „meine Geschichte“ und ich möchte kurz erzählen, was sich gerade so in meinem Leben tut und weswegen ich so lange nichts gepostet habe. Im letzten Artikel in dieser Rubrik ging es ja noch darum,was ich nach der Chemotherapie gemacht habe und ich bin im Jahr 2016 stehen geblieben. Jetzt geht es direkt mit 2018 weiter.
Meine Schreibpause hatte einen Grund: Und zwar bin ich nach Berlin umgezogen und habe einen neuen Job begonnen! Seit April 2018 arbeite ich wieder 30 Stunden als Sozialarbeiter und bin somit nach ziemlich genau drei Jahren Pause vom Arbeitsleben (ein Jahr Behandlung und zwei Jahre Rehabilitation) wieder ins Berufsleben eingestiegen. Und wie es mit der Lohnarbeit so ist, bleibt dann nicht mehr so viel Zeit und Energie, mich mit anderen Dingen zu beschäftigen, zumal umzuziehen, mit sich Neu-orientieren und Wohnung Suchen auch viel Zeit in Anspruch nimmt. Jetzt mag ich aber versuchen, mich an der Nase zu nehmen und wieder regelmäßig Artikel zu posten. Aber jetzt mag ich kurz erzählen, wie ich auf einmal in Berlin gelandet bin.
Dem Leben vertrauen und Mut haben
Im letzten Jahr hatte ich wirklich das Gefühl, dass sich alles von selbst gefügt hat, und ich nur die Aufgabe hatte, möglichst präsent und „ich-selbst“ zu sein. Im Winter 2017/18, nachdem ich den Blog gestartet habe, ging es mir eine Weile gar nicht gut. Ich habe viel geschrieben, wusste aber nicht recht weiter, wie ich/wo/womit ich wieder Geld verdienen kann und soll, wie und in welchen Umfang ich arbeitsfähig bin und wie es wohl weitergehen soll. Gleichzeitig habe ich ein sehr starkes Gefühl gehabt, dass mein Weg irgendwie mit der Überschneidung von Achtsamkeit, Spiritualität und schwuler/queerer Sexualität und Gemeinschaft zu tun haben wird.
Im Sommer 2017 habe ich ein Comunity Center für schwule, bi-/pansexuelle, transidente und queere Männer* kennengelernt, das „village.berlin“ heißt. Dort wird drei Mal jährlich ein Festival veranstaltet das Stretch-Festival heißt und indem es darum geht, die eigene Sexualität und das eigene Leben selbstbewusst und in Übereinstimmung mit den eigenen Werten, zu leben. Dazu werden verschiedene Workshops aus den Bereichen Achtsamkeit, Körperarbeit, Tantra, bewusste Sexualität, Tanz, Genter-reflektierender Arbeit und vielem mehr, angeboten. Dieses Stretch Festival war für mich ein unglaublich bewegendes und starkes Erlebnis. Es war in gewisser Maßen, wie das Gefühl „nach Hause“ kommen. Ich habe dort so viele liebe Menschen kennengelernt, die sich mit ähnlichen Dingen beschäftigen wie ich und konnte auch meine Geschichte mit der Krebserkrankung nochmals in einer achtsamen Gemeinschaft thematisieren und bearbeiten. Schon nach diesem Juli 2017 habe ich mir gedacht, wie toll es doch in Berlin ist. Ich habe mich so frei wie noch nie zu vor in meinem Leben gefühlt.
Ich habe dann auch erfahren, dass es in diesem Comunity Center ein Jahrestraining gibt, indem eine Gruppe queerer Männer im Jahr 2018 fünf Mal 5-7 Tage in einer Gruppe zusammenkommen und sich ganz intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen. Ich habe sofort gespürt, dass mich dieses Idee unglaublich angezogen hat, aber ich hatte auch viele Zweifel. Das Training ist teuer und kostet fast 3000€. Man muss sich bewusst dafür entscheiden, und kann kein Geld zurück bekommen,wenn man aussteigt. Man braucht eben fünf Mal im Jahr eine halbe oder ganze Woche von der Arbeit frei. Ich fragte mich: wie wird das mit der Arbeit, wie soll ich eine Arbeit finden,wenn ich schon ein paar Wochen fix frei brauche? Was mache ich, wenn ich dann keine passende Arbeit finde, wegen meiner Verpflichtung während dem Training? Das ist alles so unsicher. Was, wenn etwas schief läuft, usw. Ich war also verständlicherweise stark am Überlegen, ob ich es wagen sollte, so viel Geld zu investieren, wenn meine Lebenssituation gerade sehr unsicher ist. Nach drei Monaten überlegen, hatte ich dann eine sehr spannende Begegnung bei einem weiteren Stretch Festival im Herbst 2018, wo ich nach einem Gespräch verstanden habe, dass ich einfach ein 100 prozentiges Ja zu meinem Gefühl geben muss, dass ich dieses Training machen möchte, und dass sich der Beruf dann darum herum ergeben kann.
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Kurz danach ist mir immer mehr und immer öfter der Gedanke gekommen, ob ich nicht nach Berlin umziehen könnte. In vielen Büchern von Krebsüberlebenden oder Menschen, die sich mit ganzheitlicher Medizin beschäftigen, habe ich gelesen, dass Menschen von positiven Erfahrungen berichten, sich nach einem einschneidenden Lebensereignis, die Frage zu stellen, wo der richtige Ort für einen selbst ist. Besonders in den USA ist es auch kulturell bedingt viel normaler umzuziehen. Ich habe mir dann einfach gedacht, dass es nach 29 Jahren einfach auch mal Zeit für mich sein könnte, aus Wien herauszukommen. Zusätzlich hat mich die ganze Situation in Österreich mit der rechts-neo-faschistischen Regierung sehr deprimiert.
Jedenfalls habe ich eines Nachmittags im Jänner, als ich, wie so oft, in der Arbeiterkammer Bibliothek im 4.Bezirk in Wien saß, begonnen, „quer durchs Gemüsebeet“ in Berlin nach Stellen zu suchen. Ich habe so zwei bis drei Stunden gesessen, mich durch die unendliche Landschaft der Sozialen Arbeit in Berlin durchgeklickt und bin schließlich auf eine Stelle gestoßen, die mich total angesprochen hat. Die Organisation heißt „Zuhause im Kiez“ und bietet betreutes Wohnen für Menschen mit HIV, Aids, Hepatitis C und anderen chronischen Erkrankungen an. Gleichzeitig war auf der Homepage eine Stellenausschreibung zu finden, die auch sehr ansprechend war. Und so habe ich mir einfach gedacht: „Da bewerbe ich mich“. Ich habe in die E-Mail dann gleich Tage geschrieben, an denen ich in Berlin bin. Ich habe meinen Lebenslauf aktualisiert und sowohl die Erkrankung, als auch diesen Blog hineingepackt. Ich dachte einfach, dass das Dinge sind, die mich geprägt haben und, dass ich daraus viele Kompetenzen gewonnen habe, die ich auch in einer Arbeitsstelle gut einbringen könnte. Ich dachte, dass ich wo arbeiten möchte, wo ich so sein kann wie ich bin, und dieser Blog ist nun-mal ein Teil von mir, bzw. eine Reflexion darüber, was das einschneidendste Erlebnis meines Lebens war. Jedenfalls wurde ich eingeladen, ich hatte zwei Bewerbungsgespräche und es hat sehr gut gepasst und dann wusste ich: Ich werde ein Berliner. Ich bin sehr glücklich auch in meiner neuen Arbeitsstelle und empfinde viel Freude und Dankbarkeit darüber.
Immer mehr hat „sich einfach so ergeben“. Ich habe in dem Jahrestraining (über das ich noch mehr schreiben werde, wenn es weitergeht wie Gemeinschaften heilsam sein können) einen Kollegen kennengelernt, der mir angeboten hat, in seinem Gästezimmer in Berlin zu wohnen, so lange bis ich eine Wohnung gefunden habe. So hatte ich schon eine erste Wohnmöglichkeit. In Berlin ist es gerade extrem schwer eine bezahlbare Wohnung zu finden, was mich noch gewaltig stressen sollte..
Ein weiterer Kollege, Christof Weber, arbeitet auch mit krebsbetroffenen Männern als Psychotherapeut. Christof wurde von einem alten Bekannten kontaktiert, der als Journalist arbeitet und etwas zum Thema Männlichkeit und Krebserkrankungen schreiben wollte. So haben wir gemeinsam im Mai 2018 ein Interview für den Berliner Tagesspiegel gegeben, indem auch www.healingwithlukas.com erwähnt wird. Und so bin ich nach zwei Monaten Aufenthalt in Berlin schon in die Zeitung gekommen. Ich finde den Artikel ganz gelungen und vielleicht inspiriert er ja die ein oder andere Person sich bei der Bewältigung einer Krebs-erkrankung professionelle Unterstützung zu organisieren und etwas Mut zu fassen.
Fazit
Wenn ich die Quintessenz aus dem letzten Jahr herausfiltern müsste, dann wäre es wohl die
Wenn ich präsent bin und versuche möglichst authentisch zu sein, dann kann ich meinem inneren Gefühl vertrauen und es wie einen Kompass ansehen, der mir den Weg für das Leben zeigt.
Ängste sind normale Begleiter auf diesen Weg, die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit wollen. Die Kunst ist, sich davon nicht vom Weg abbringen zu lassen. Im Endeffekt geht es immer darum, sich selbst und dem Leben zu vertrauen. Je besser wir das schaffen, desto einfacher landen wir genau dort, wo wir gerade sein sollen.
In den nächsten Artikeln mag ich weiter genauer darüber eingehen, wie für mich achtsame und liebevolle Gemeinschaften in der Heilung unterstützend sind und mehr über meinen Prozess in Berlin berichten. Einstweilen wünsche ich Euch allen einen wunderschönen Sommer und viel Mut, Liebe und Vertrauen in Eure eigene Kraft!
Hallo mindful survivor! Was für ein toller Artikel. Viel Erfolg und viel Glück auf deinem Weg in Berlin! Würde den Artikel gerne rebloggen bei mir auf der Homepage. Findest du das auch gut? Ich machs nur, wenn du dein O.K. gibst.
Viele Grüße!
Hallo Lukas Brock, ich bin ehrenamtlich im Vorstand der Krebsberatungsstelle Berlin e.v. tätig. Seit April bietet Herr Weber bei uns einmal monatlich eine Männergruppe an. Darüber freuen wir uns. Der Artikel im Tagesspiegel hat mich beeindruckt und deswegen würde ich ihn gerne auf unserer Homepage einstellen. Anfrage wegen Urheberrechte läuft schon beim Tagesspiegel. Wäre die Veröffentlichung o.k.? Freundliche Grüße und eine Ihnen eine gute Zeit. Ruth Keseberg-Alt ( Vorstandsmitglied Krebsberatungsstelle)
Lieber Lukas, cooler Blog-Post und cooler Zeitungsartikel. Habs fein, Sophie
Danke Sophie !!! Wann kommst du mal nach Berlin ;)?