„Das Wissen, dass es Menschen entgegen aller Erwartungen geschafft haben, eine fortgeschrittene Krebserkrankung zu besiegen, ist eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration“
Kelly A. Turner
In diesem Artikel möchte ich eine zentrale Botschaft, auf die sich auch viele alternative Heilungsmethoden und Meditation und Achtsamkeit beziehen, näher vorstellen: Wir selbst haben viele Möglichkeiten unsere Gesundheit auf mentaler und körperlicher Ebene einzuwirken. Ein wesentlicher Schritt für Heilung ist es, sich dieser Macht bewusst zu werden und sie zurückzunehmen, was auch mit Eigenverantwortung oder Selbstbestimmung oder Selbstwirksamkeit bezeichnet wird.
Ein Buch, das für mich ganz wichtig und wesentlich bei meiner Heilung war, ist „9 Wege in ein Krebsfreies Leben. Wahre Geschichten von geheilten Menschen“ von Dr. Kelly A. Turner.
Kelly A. Turner ist eine amerikanische Wissenschaftlerin, die lange als Beraterin für Krebspatient_innen gearbeitet hat. In ihrem Buch hat sie sich mit krebskranken Menschen beschäftigt, die eine sogenannte „radikale Remission“ erfahren haben. Das können Menschen sein, die eine Krebserkrankung überlebt haben, obwohl sie keine schulmedizinischen Maßnahmen ergriffen haben, oder bei denen Schulmedizin nicht anschlug, oder trotz schulmedizinischer Therapien eine unter 25prozentige Überlebenswahrscheinlichkeit bei der Diagnose vorherrschte.
Sie definiert solche Radikalremissionen als das komplette Verschwinden von Krebs, das statistisch unerwartet auftritt (vgl. Turner 2015: 14). Ich finde es sehr spannend, wie sie auf ein diesbezügliches Problem der medizinischen Forschung eingeht. Sie berichtet, dass es viele Fälle von Menschen gibt, die, entgegen der schulmedizinischen Erwartung, Krebs überleb(t)en. Diese Fälle werden in Fachzeitschriften dann „Spontanremissionen“ genannt. Kelly A. Turner kritisiert, dass Ärzt_innen solche Fälle zwar dokumentieren und sich für die Patient_innen freuen, sich jedoch nicht mit ihnen und ihren Geschichten näher befassen.
Es herrscht ein Bild vor, dass diese Heilungen irgendwie zufällig passieren, und es war bis jetzt selten der Gedanke vorhanden, dass diese Menschen aktiv etwas dazu beitragen. Sie wurde durch das Fehlen an Forschung zu komplementärmedizinischen Methoden und dieser besonderen Gruppen Krebsüberlebender angespornt, selbst zu forschen. Sie begann also selbst Interviews mit Heiler_innen und Menschen zu führen, die trotz unwahrscheinlicher Prognose Krebs überlebt haben.
Wichtig ist mir dabei zu erwähnen, dass sich Turner selbst klar für Schulmedizin ausspricht. Es geht nicht darum eine schulmedizinische Behandlung abzulehnen, die einem erwiesenermaßen helfen kann. Sie zeigt aber sehr gut, dass wir von Menschen mit Radikalremissionen noch viel über ganzheitliche Medizin und Selbstheilungskräfte lernen können.
Sie hat deshalb das „radicalremission project“ ins Leben gerufen. Das ist eine Webseite, die systematisch die Überlebensgeschichten von Krebspatient_innen mit Radikalremission dokumentiert. Man kann dabei ganz gezielt nach Menschen mit der gleichen Diagnose oder Krebserkrankung suchen. Die Seite ist jedoch nur auf Englisch verfügbar).
1. Die Selbstheilungsmechanismen des Körpers auf vielerlei Ebenen stärken
Ich persönlich finde Kelly A. Turner einfach unglaublich sympathisch und ihr Buch zu lesen hat mir sehr viel Kraft und Hoffnung gegeben, als ich noch Chemotherapie um Chemotherapie in mir wirken habe lassen. Ich finde, das Buch bzw. die Inhalte, so wie sie präsentiert sind, strahlen einfach totale Hoffnung aus. Es gibt viele Geschichten von Menschen, die von der Schulmedizin aufgegeben wurden bzw. statistisch gesehen sterben hätten sollen, und es mit viel Eigeninitiative „geschafft“ haben, am Leben zu bleiben. Ein Stück dieser Hoffnung, möchte ich auch in diesem Artikel transportieren.
Wenngleich manche dieser Geschichten doch sehr spirituell sind oder metaphysische Konzepte und Erklärungen vertreten, die vielleicht nicht für alle Leser_innen Sinn machen, finde ich, dass hier die Fülle an Möglichkeiten, die Menschen ergreifen können, sichtbar wird. Auch wenn die interviewten Personen teilweise vielleicht „unkonventionelle“ Weltbilder und Krankheitsdeutungen vertreten, bleibt Kelly A. Turner gleichzeitig auch sehr bodenständig. Sie verspricht kein Rezept für Heilung, das bei allen funktioniert. Sie lässt die Menschen aber selbst zu Wort kommen und von ihren Erfahrungen erzählen. Wir müssen als betroffene Leser_innen nicht die konkrete Methode A oder B durchziehen, sondern können uns mit dem Buch einen Überblick verschaffen, was alles bei anderen Menschen funktioniert hat.
Das Ziel ist immer dasselbe: unser Leben als vielschichtige Existenz zu verstehen, bei der körperliche, psychische und geistige/ spirituelle Ebenen zusammenspielen und dieses komplexe, auf verschiedene Weise hochgradig verflochtene System, so gut es geht zu stärken.
Für mich war es auch stärkend zu sehen, dass ich selbst viel von den in dem Buch erwähnten Dingen bereits anwende. Das Buch hat fast 300 Seiten und ich kann hier nicht annähernd auf die ganzen Inhalte eingehen. Ich kann es jedoch allen Menschen, egal ob mit Krebsdiagnose oder ohne empfehlen. Ebenso verlinke ich hier und unten ein Interview auf youtube (auf Englisch) mit ihr, in dem viele interessante Punkte erwähnt werden. Meine Webseite beinhaltet viele der Ideen des Buches, auch wenn sie etwas anders organisiert und aufgebaut sind. Ich möchte hier diese Faktoren kurz erwähnen und dann genauer auf einen Punkt eingehen, nämlich darauf, uns die Eigenverantwortung für unsere Heilung zurück zunehmen:
Die Forscherin hat in ihren Interviews und Reisen mehr als 75 Faktoren zusammengetragen, welche als „heilend“ bewertet werden. Dabei kristallisierten sich zehn Hauptfaktoren heraus, die alle in gleicher Wertigkeit nebeneinander stehen (auf Sport/Bewegung geht Turner allerdings nicht in einem eigenen Kapitel ein):
- eine radikale Ernährungsumstellung
- Kontrolle über die eigene Gesundheit und Behandlung übernehmen
- der eigenen Intuition folgen
- Kräuter- und Nahrungsergänzungsmittel nehmen
- unterdrückte Emotionen zulassen
- positive Emotionen verstärken
- soziale Unterstützung zulassen
- die spirituelle Verbindung vertiefen
- starke Gründe für das Leben haben
- Sport und Bewegung
2. Die Kontrolle über die eigene Behandlung und Gesundheit übernehmen

Alle von Kelly A. Turner befragten Krebsüberlebenden haben auf verschiedenen Ebenen die Kontrolle über ihr Leben und Behandlung vollkommen übernommen. Eine Botschaft, die ich an verschiedenen Stelle dieser Webseite immer wieder aufnehme, ist: wir selbst haben Macht, auf unsere innere Einstellung/Selbstbild und damit auch auf den eigenen Gesundheitszustand einzuwirken.
Es macht einen Unterschied, ob ich mich/meinen Körper als Maschine verstehe, die, wenn ein Teil kaputt geht, von einer Mechanikerin (=Ärztin) repariert wird, oder ob ich mich/meinen Organismus als komplexes System verstehe, dass durch Psyche und Geist beeinflusst wird und ich damit viel Handlungsspielraum habe, etwas zu tun. Turner beschreibt, dass die von ihr interviewten Krebsüberlebenden mittels drei Faktoren diese Kontrolle zurückgewonnen haben.
Aktiv mitwirken
Die befragten Personen waren allesamt sogenannte „unangenehme Patient_innen“, die viele Fragen stellen, Informationen einholen und kritisch hinterfragen. Es macht einen enormen Unterschied, ob wir die Macht an Ärzt_innen abgeben und sagen: „Hier, behandelt mich / rettet mich“ oder ob wir schulmedizinische Maßnahmen als Möglichkeit wahrnehmen, für die wir uns selbst entscheiden, weil wir daran glauben, dass sie uns bei der Genesung unterstützen. Wir können Informationen über vorgeschlagene Behandlungen einholen, Bücher lesen, Fragen stellen und um genaue Erklärungen für medizinische Wirkungen bitten.
Wir können uns unserer Macht bewusst werden und aktiv Dinge tun, von denen wir überzeugt sind, dass sie hilfreich sind, wie Bewegung, Ernährungsumstellung, Psychotherapie, soziale Kontakte pflegen, Selbstfürsorge betreiben, alternative Heilformen in Anspruch nehmen, in der Natur sein, Atemübungen machen, Meditieren und vieles mehr.
Zu Veränderungen bereit sein
Turner beschreibt, dass die Interviewpartner_innen allesamt zu einer Analyse ihres bisherigen Lebens bereit waren und danach auch konsequent an Veränderungen gearbeitet wurde. Den Menschen erschien ihre Erkrankung wie ein Sprachrohr, die eine Botschaft enthält. In den meisten Fällen wird die Botschaft nicht heißen: „weitermachen, wie bisher“, sondern „bitte, es ist dringend Zeit, etwas zu ändern“. Dazu werde ich noch einen eigenen Blogartikel posten.
Widerstände meistern
Bei den meisten Menschen wird es bei radikalen Änderung im Leben innere und äußere Widerstände geben. Nicht alle Menschen leben beispielsweise mit unterstützenden engen sozialen Beziehungen. Ich habe nicht wenige Menschen auf meinem Reha-Aufenthalt nach der Chemotherapie getroffen, die berichteten, dass sie sich während der Behandlung von nahen Verwandten und Freund_innen trennen mussten, da die Beziehung eine Quelle von Belastung und nicht unterstützend war. Um sich voll auf Heilung konzentrieren zu können, war es notwendig Beziehungen abzubrechen. Ebenso hemmen uns unsere Zweifel und Ängste oft daran einen Schritt zu tun, der wichtig ist. Alles was mir/dir Mut gibt, ist deswegen besonders wertvoll. Es braucht laut Turner also eine gewisse Standfestigkeit, trotz etwaiger Widerstände den eigenen Weg zu gehen. Deswegen ist auch die psychische Ebene für körperliche Genesung von zentraler Bedeutung für mich.
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Turner führt auch einige wissenschaftliche Erkenntnisse an, die zeigen, dass das Gefühl von Selbstbestimmung bzw. das aktive Mitgestalten der Therapie die Überlebensrate von Krebspatient_innen steigert (vgl. Turner 2015: 58f.) Es erinnert mich auch an eine Dokumentation, die ich einmal gesehen habe, in welcher berichtet wird, dass Menschen in einem Pflegewohnhaus länger leben, wenn sie kleine Aufgaben wie Blumen gießen übernehmen oder in anderen Bereichen selbst über gewisse Dinge entscheiden können und Verantwortung übernehmen müssen.
Auch Jon Kabat-Zinn erwähnt dieses Gefühl von Selbstwirksamkeit an vielen Stellen in seinem Buch „Gesund durch Meditation“. Wie er zeigt, und ich auch in den Artikeln zu Achtsamkeit und Meditation noch darlegen werde, kann Achtsamkeit ebenso wirksam sein, weil sie uns konkret unsere Selbstwirksamkeit vor Augen führt, etwa wenn wir durch regelmäßige Meditation ein tieferes Körpergefühl, eine tiefere Atmung oder ein stärkeres Gefühl von Verbunden-Sein empfinden. Bezogen auf Krebs, aber auch bei allen anderen Dingen kann uns Achtsamkeit also ein Stück weit daran erinnern, dass wir durchaus Einflussmöglichkeiten auf die Behandlung haben. Wie ich ebenfalls noch genauer beschreiben werde, entsteht Stress ja nicht nur nur durch äußerliche Gegebenheiten, wie eine Krankheit, sondern meistens noch viel mehr durch unsere innere Reaktion auf diese äußeren Gegebenheiten. Alles was uns das Gefühl gibt, eine Situation aktiv mitgestalten zu können oder ein gewisses Maß an Kontrolle zu haben, bewahrt uns davor, uns hilflos und ausgeliefert zu fühlen und trägt somit zu mehr Handlungsspielraum und mehr Chancen für Heilung bei (vgl. Kabat-Zinn 2013: 278).
3. Zusammenfassung und meine Erfahrungen
Um die Wichtigkeit des „an der Behandlung mitwirken“ wissen meiner Erfahrung nach auch die meisten Schulmediziner_innen und Krankenpfleger_innen. Sie formulieren es vielleicht etwas anders. Zum Beispiel habe ich bei Gesprächen mit meinen behandelnden Ärzt_innen und Krankenpfleger_innen oft gehört, dass es wichtig ist an sich zu glauben, sich nicht gehen zu lassen, nachzufragen, Informationen einzuholen etc.
Sie würden vielleicht nicht alle Statements in den oben genannten Büchern unterschreiben. Aber im Grund genommen meinen sie etwas Ähnliches.
Durch die verschiedenen Lernerfahrungen, Achtsamkeitsübungen oder spirituellen Zugängen, die ich im Laufe meiner Geschichte entdeckt habe, habe ich mehr Zugang zu meinen inneren Ressourcen bekommen und meine Sicht auf die Welt verändert. Das ist für mich der zentrale Aspekt von „Kontrolle über die eigene Gesundheit“ nehmen.
Der Körper erhält ohne mein bewusstes Wahrnehmen ständig tausende Funktionen gleichzeitig am Laufen und reguliert sich bezüglich vielen Faktoren ständig von selbst. Selbstheilung ist kein esoterischer weltfremder Begriff, sondern die ganz normale Realität, die in uns ständig vorgeht. Wir müssen nur wieder lernen, sie zu sehen und wahrzunehmen. Auch wenn ich/mein Körper Chemotherapie gebraucht habe um wieder in Balance zu kommen – mein Körper war die ganze Zeit da und hat die ganzen Funktionen, die er sonst auch macht, weiterhin so gut es ging vollbracht.
Dies ist meine Wahrnehmung, für die es keine Belege gibt, die ich aber trotzdem teilen möchte: Ich glaube, dass meine sehr engagierten und professionellen Ärzt_innen und die Medikament, die ich erhielt, mir nicht allein das Leben gerettet haben. Ich glaube, dass ich einige Dinge lernen durfte, die dazu beigetragen haben, dass ich mich/mein Körper selber besser wieder in eine gute Balance finden konnte, in der ich wieder gesund werden konnte.
In meinem Fall habe ich aber ganz klar die schulmedizinische Behandlung gebraucht, und wäre ohne Chemotherapie gestorben. Ich glaube aber, dass eben diese Behandlung erfolgreich war, weil ich auch rechtzeitig lernte, sie aktiv mitgestalten zu können und zu dürfen. Über die verschiedenen Ebenen dieses Mitwirkens kannst du in den folgenden Artikeln dieser Webseite mehr erfahren.
Ich kann mich auch gut in der Kritik von Kelly A. Turner wiederfinden, dass Ärzt_innen im Spitalsbetrieb selten nachfragen, was man selbst für seine Behandlung tut. Persönlich kann ich mich an ein einziges Erlebnis während meiner Krebsbehandlung erinnern, wo ein Arzt mir gegenüber klar und unmissverständlich anerkannt hat, dass ich etwas zu meiner Heilung beitrage. Es war meine erste onkologische Nachsorgeuntersuchung nach den drei Hochdosis-Chemotherapien im April 2016. Der Arzt, mit dem ich sprach, sagte mir stirnrunzelnd, wie erstaunt er darüber sei, dass meine Blutwerte so gut sind, obwohl die Hochdosis-Chemotherapie erst vier Wochen her war.
Ich antwortete, dass ich auch einiges dafür tue, dass ich wieder gesund werde, worauf er mir in die Augen sah und sagte „Das glaube ich“. Er hatte auch keine Zeit nachzufragen, was das genau war. Aber ich kann mich daran erinnern, dass dies für mich ein sehr wichtiges Erlebnis war. Ein Arzt hatte mich wirklich ernst genommen und mir zu verstehen gegeben: „Ich sehe, dass Sie selbst etwas tun“. Bis dahin konnte ich mich nicht erinnern, jemals so ein Gefühl der Anerkennung für meinen eigenen Behandlungsbeitrag von Ärzt_innen bekommen zu haben.
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Diese Webseite soll auch ein Beitrag sein, diese Botschaft zu verbreiten. Ich habe erst Krebs bekommen und dem Leben/Schicksal total ausgeliefert fühlen müssen, bevor ich es verstanden habe: Wir sind mächtiger als wir denken, und können für unsere Gesundheitszustand Verantwortung übernehmen und mehr beeinflussen und gestalten, als wir vielleicht zunächst glauben. Und das kannst du auch!
Ressourcen
Kelly A. Turner (2015): 9 Wege in ein krebsfreies Leben. Wahre Geschichten von geheilten Menschen, Irisiana Verlag, München.
Kabat-Zinn, Jon (2013): Gesund durch Meditation. Das große Buch der Selbstheilung mit MBSR, Knaur Menssana, München
Interview mit der Autorin (Englisch)
Stimme hier in vielen Punkten zu (wenn ich auch nicht glaube, dass Heilung „zufällig“ geschieht)- Glg Herta